Context März 2021 Umm Yusuf - Ein syrisches Schicksal

Muslima, Frau, Mutter, Flüchtling

Umm Yusuf und ihre Familie mussten vor fünf Jahren vor dem IS aus dem Osten Syriens fliehen. Seitdem leben sie, ihr Mann, dessen Zweitfrau und die insgesamt 13 Kinder als Flüchtlinge in einem Zelt im Libanon. Ihr eigentlicher Name ist Leila, aber seit der Geburt ihres ersten Sohnes, Yusuf, wird sie Umm Yusuf (Mutter von Yusuf) genannt. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht: Yusuf, ihr Stolz. Jeder, der ihren Namen hört, weiß, dass sie mindestens einen Sohn hat und somit eine der wichtigsten Pflichten ihrer Kultur erfüllt hat.

Als sie heiratete, war Leila 14 Jahre alt. Ihr Mann, Abu Yusuf (Vater von Yusuf), ist der Sohn ihres Onkels, also ihr Cousin. Sie kannte ihn schon von klein auf und ihre Mutter ließ schon früh verlauten, dass er ihr Ehemann werden würde. In ihrer Kultur entscheiden die Eltern und andere Verwandte meist, wen man heiratet - am liebsten jemanden aus der Großfamilie, dann weiß man, mit wem man es zu tun hat. Das Vertraute gibt Sicherheit.

Doch die Zeiten ändern sich. Junge heiratsfähige Frauen sind selbstbewusster und lehnen auch mal Männer ab, die in Absprache mit der Familie um ihre Hand anhalten. Umm Yusufs älteste Tochter ist - Gott sei Dank! - schon im Sinne der Familie verheiratet. Die zweite hat durch die türkischen Liebesromanzen im Fernsehen bestimmte Vorstellungen und stellt sich stur. Abu Yusuf ist ein sehr gutmütiger Vater. Und da durch die Flucht der Rest der Familie verstreut im Libanon und in der Türkei lebt, sind anständige Anwärter nicht unbedingt in der Nähe.

Wehmütig denkt Umm Yusuf an ihr Leben auf dem Dorf in Syrien zurück. Die Männer hatten Arbeit und alle hatten reichlich zu essen. Niemals hätten sie es für möglich gehalten, dass sie eines Tages ihren geliebten Grund und Boden, ihre Schafe, Ziegen, die Kuh und den Esel sowie die Oliven- und Granatapfelbäume verlassen würden.

Allerdings war Leilas Leben auch dort nicht immer einfach gewesen. Lesen und Schreiben hatte sie nie richtig gelernt. Schon früh musste sie ihrer Mutter im Haushalt und auf dem Feld helfen. Für Schule war keine Zeit. Nach der Hochzeit mit Abu Yusuf lebten sie im Haus ihrer Schwiegereltern. Ihr Mann war Hirte und sie hatten Baumwoll- und Linsenfelder. Leila wurde drei Jahre lang nicht schwanger. Abu Yusuf ist ein guter Mann, der freiwillig keine zweite Frau gewollt hätte. Aber auf Druck seiner Mutter heiratete er eine zweite Frau. Diese wurde sofort schwanger und gebar Abu Yusuf Zwillingsmädchen, sodass Leila noch mehr unter den Blicken und dem Gerede der Familie und der Leute im Dorf litt. Doch - Gott ist großzügig! – wurden schließlich ihre Gebete und ihr Fasten erhört: Sie bekam einen Sohn, Yusuf! Und sie gebar ihrem Mann noch drei Mädchen und zwei weitere Söhne.

Heute war der bisher heißeste Tag des Fastenmonats. Aber jetzt in der Abenddämmerung sinkt die Außentemperatur langsam. Gleich wird der Muezzin den Gebetsruf beenden und die Familie auf dem Boden um die Plastiktischdecke gemeinsam das Fasten brechen. Umm Yusuf ist stolz auf ihre Familie. Schon ihre achtjährige Tochter nimmt den ganzen Monat wie die Erwachsenen von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang kein Wasser und keine Nahrung zu sich. Auch ihre Schwiegertochter hat sich entschieden, trotz der anstrengenden Schwangerschaft zu fasten. Das wird viel Gerechtigkeit bei Gott bringen. Ob es am Ende fürs Paradies reichen wird, bleibt ungewiss! Dennoch fürchtet Umm Yusuf das Endgericht so sehr, dass sie alles tut, um Gott zu gefallen. Vielleicht wird Gott ihre guten Taten anerkennen. Inschallah! So Gott will!

Stimmengewirr unterbricht ihre Gedanken. Nun aber schnell! Sie erhebt sich um der Familie das Essen zu servieren, wobei ihr kurz schwarz vor Augen wird. Sie ist erschöpft. Umso mehr freut sie sich auf das gemeinsame Fastenbrechen mit der Familie, die hungrig vom Fasten und der Arbeit auf das leckere Essen wartet.